Nur, weil jemand nicht mehr ganz fit und mobil ist, muss noch lange nicht jede Selbstbestimmung der Vergangenheit ange­hören. Im barrierefreien Quartier Kaisermühlen sollen die BewohnerInnen ganz im Gegenteil möglichst eigenständig leben.

Leben ist das, was passiert, während wir Pläne machen. Manchmal macht uns das Leben schlichtweg einen Strich durch die Rechnung und der Plan, etwa bis zum Schluss in den gewohnten vier Wänden bleiben zu können, funktioniert nicht mehr. So war es auch bei Pater Elmar Kahofer, früher Pfarrer von Kaisermühlen und auch der Gründer und langjährige Obmann des Verein Pflegehospiz Kaisermühlen. Nach seiner Pensionierung hatte er es sich in seiner kleinen Wohnung im Grätzel gut eingerichtet und hätte hier auch seinen Lebensabend verbringen wollen. Doch vor allem die tückische Parkinsonerkrankung ließ ihn immer mehr von seiner urprünglichen Mobilität einbüßen und wer P. Elmar heute auf der Straße trifft, sieht ihn nur noch hinter den zwei Rädern seines (nach eigenen Entwürfen zusammengebauten) Rollmobils. Die Stufen zu seiner Wohnung wären für den jüngeren Elmar, den Bergsteiger, Höhlenkletterer, Wüstendurchquerer und Segelflieger keine Herausforderung gewesen. Und obwohl er sich stets ganz enorm auch für die ältere Bevölkerung einsetzte, hätte er wohl niemals gedacht, dass es ihn eines Tages selbst treffen könnte. Gerade ihn, den so selbstbestimmten, freiheitsliebenden Mann – und plötzlich sollte das ein Ende haben, nur weil weder Wohnhaus noch Wohnung für Menschen mit motorischen Einschränkungen gebaut wurden?

Der erste Bewohner steht schon fest. Als das Team des Verein Pflegehospiz Kaisermühlen bereits vor vielen Jahren begann, Pläne für eine vollkommen barrierefreie Seniorenwohngemeinschaft im Grätzel zu schmieden, war von P. Elmars Erkrankung noch keine Rede. Auch als die Pläne schon konkrete Formen annahmen, man sich später doch noch gegen die Umsetzung im Goethehof-Dachaufbau entschied und lieber auf die Sanierung des wesentlich besser geeigneten ehemaligen Tröpferlbades warten wollte, hätte niemand daran gedacht, dass er dort selbst einziehen könnte. Doch inzwischen ist klar, dass P. Elmar, sobald die Senioren-WG Quartier Kaisermühlen bezugsfertig ist, deren erster offizieller Bewoher sein wird. Dann werden ihn keine Stufen mehr aufhalten und er wird wieder einige Dinge des Alltags selbst machen können, bei denen er seit geraumer Zeit Unterstützung durch die Kaisermühlner Nachbarschaftshilfe benötigt. Klar, ganz alleine wird es auch dann nicht mehr gehen. Aber auch wenn das Quartier Kaisermühlen kein Pflegeheim sein kann und darf, wird es dort für BewohnerInnen selbstverständlich die gleichen pflegerischen und betreuerischen Leistungen durch die Kaisermühlner Nachbarschaftshilfe geben wie für alle KlientInnen in ihren bisherigen vier Wänden. Das Projekt erhält im Gegensatz zur Hauskrankenpflege keine Förderung durch den Fonds Soziales Wien (FSW). Finanziert wird die Senioren-WG ausschließlich durch Menschen, denen das Projekt wichtig ist, und natürlich durch die Wohnbeiträge der BewohnerInnen.

Gemeinsam eigenständig bleiben. So wie bei P. Elmar steht für alle BewohnerInnen an oberster Stelle: Sie sollen so eigenständig leben können, wie es nur geht. Die Senioren-WG vereint die Vorteile einer eigenen Wohnung, allem voran die Privatsphäre und die freie Zeiteinteilung, mit den Annehmlichkeiten des Zusammenlebens. Niemand muss also alleine sein, sondern findet in den MitbewohnerInnen und auch in den Ehrenamtlichen, die von Zeit zu Zeit vorbei schauen, Ansprechpersonen und vielleicht sogar PartnerInnen für gemeinsame Aktivitäten. Dann können gemeinsam Pläne gemacht werden, während das Leben einfach weiter passiert.

(aus: Kaisermühlner Hafenpost, Juli 2019)